Auf der Reise in unbekannte Welten – Ein Interview mit der aktuellen Stipendiatin Anja Warzecha

Auf der Reise in unbekannte Welten - Ein Interview mit der aktuellen Stipendiatin Anja Warzecha

Anja, jetzt bist Du bereits seit April bei uns in der Stiftung und lebst und arbeitest hier in Norddinker. Was bedeutet das Stipendium und der damit verbundene Aufenthalt in der Stiftung für Dich?

In erster Linie bin ganz angetan davon, wie „weitreichend“ das Stipendium ist. Die Förderung, die ich hier bekomme, geht ja weit über eine rein finanzielle Unterstützung hinaus. Dies ist nicht immer so selbstverständlich und weiß es sehr zu schätzen. Oftmals ist es so, dass man während eines Stipendiumaufenthaltes recht abgeschirmt ist und auf ein bestimmtes Ziel, eine Ausstellung hinarbeitet. Hier jedoch ist es so, dass ich nicht nur eine gute Unterstützung und Begleitung bekomme, sondern immer auch die Möglichkeit habe, mich mit Besuchern und Gästen auszutauschen. Während der verschiedenen Veranstaltungen in der Stiftung, steht mein Atelier den Besuchern offen und auch bei Führungen komme ich immer wieder ins Gespräch mit den Gästen.

Sicherlich ist auch die Ausstellung am Ende des Aufenthaltes und der Katalog ein besonderes Highlight. Insgesamt jedoch ist die Aufgeschlossenheit, die ich hier erlebe ein ganz zentrales Element und das „Gesamtpaket“ macht die Stiftung tatsächlich zum „besondersten“ Ort, an dem ich bisher gelandet bin

 

Was ist in den ersten drei Monaten Deines Aufenthaltes bereits passiert? An was hast Du konkret gearbeitet?

Bereits vor dem Stipendium war der Raumbezug von Malerei ein ganz zentrales Thema meiner Arbeiten. Während meines Aufenthaltes ist es mir ein Anliegen, dieses Thema weiter auszuloten wobei ich hier natürlich viel mehr Zeit und Raum habe weiterzudenken, als ich es zu Hause könnte.

Anhaltspunkt sind für mich zum Beispiel die Naturbeschreibungen von Humboldt. Seine Texte entführen mich in Landschaften, die ich noch nie gesehen habe. In meinen Werken versuche ich dann, diese Eindrücke und Inhalte bildlich umzusetzen und begebe mich so auf eine Reise in ganz unbekannte, neue Welten.  Einzelne Fragmente dieser Welten finden sich dann in unterschiedlichen Kontexten wieder. Es entstehen so zum Beispiel Dioramen in denen sich der räumliche Bezug schon durch die Staffelung der Acrylglasplatten ergibt. Weiterhin arbeite ich an größeren Leinwänden, die sich zum Teil mit architektonischen Elementen befassen, zum Teil spiele ich aber auch mit grafischen Aspekten.

Parallel dazu entstehen immer wieder kleine Skizzen, in denen ich meine Landschaftskonstruktionen und Entwürfe als Zeichnungen festhalte. Mir geht es darum, beim Betrachter Erinnerungen wachzurufen, ein Wiedererkennen von einzelnen Details zu erzielen, die dann aber in einen ganz neuen Kontext gesetzt werden und sich so jeglicher Kategorisierung entziehen.

 

Das klingt nach einem sehr komplexen und vielschichtigen Thema, an welchem Du auf vielen Ebenen gleichzeitig arbeitest. Wie sieht denn Dein Alltag hier in der Stiftung aus? Wie müssen wir uns Deinen Arbeitsalltag vorstellen?

Ich stehe jeden morgen sehr früh auf und „falle“ nach einem Kaffee und Frühstück eigentlich vom Schlafzimmer direkt ins Atelier wo ich mit der Arbeit beginne. Gegen Mittag gibt es eine kurze Mittagspause und ich erledige Telefonate oder andere Dinge, die anstehen. Danach gehe ich wieder an die Arbeit und bin oft bis weit in den Abend hinein beschäftigt. Während der Arbeit kann ich die Stille im Hintergrund nicht gut haben, weshalb im Atelier eigentlich durchweg Podcasts, Wissenssendungen und Radioaufzeichnungen laufen, die meist gar nicht mal etwas mit Kunst zu tun haben. Unterbrochen wird mein Arbeitstag dann und wann durch Besucher, die mein Atelier im Rahmen von Führungen besuchen. Als Ausgleich gehe ich Laufen oder nutze die Ruhe im Skulpturenpark um einfach mal ein bisschen auszuspannen und zur Ruhe zu kommen. Das recht straffe Programm ziehe ich oft mehrere Wochen am Stück durch und gönne mir dann ein paar Tage Auszeit, das ist dann quasi ein geballtes Nachholen der durchgearbeiteten Wochenenden.

 

Welche Pläne hast Du für die zweite Hälfte Deines Aufenthaltes?

Grundsätzlich versuche ich, vor allem im Hinblick auf die Ausstellung, sehr strukturiert vorzugehen. Ich habe mir ein kleines Modell der Stiftung gebaut, welches mir dabei hilft zu überlegen, welche Werke ich wo und wie hängen und stellen möchte.

Auch die Gestaltung des Kataloges wird mich die nächsten Monate begleiten und ich freue mich schon sehr auf das Ergebnis.

Manchmal stellt sich bei so viel zur Verfügung stehendem Raum und Zeit dann auch fast ein bisschen so etwas wie „Größenwahn“ ein und ich habe – neben den verschiedenen kleinen und großen Arbeiten – nun auch eine raumfüllende Landschaftsarbeit begonnen, die mich sicherlich noch eine Zeit lang beschäftigen wird. Insgesamt mangelt es weder an Ideen, noch an Material und so würde ich mir oftmals wünschen, einfach noch viel mehr Zeit haben zu können, um all die Welten und Landschaften aus meinem Kopf auch in die Realität umsetzen zu können.

 

Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns auf weitere drei Monate mit Dir und eine spannende Ausstellung im November!

 

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